Ich fahre für eine Woche mit Papa in den Urlaub: nach Polen auf den Spuren der Vergangenheit, die ostpreußischen Wurzeln anschauen. Thematisch passt es vielleicht nicht so ganz, aber hey, dies ist ein Blog und ein Blog lebt von Geschichten. Außerdem ist es einfach auch zu skurril, um unaufgeschrieben zu bleiben. #mitvaddiauftour
Die Reise war schon für letztes Jahr geplant, aber fünf Tage nach Bestrahlungsende hätte ich mich nicht in der Lage befunden, auf Reisen zu gehen – viel im Bus sitzen hin oder her.
Am Montag um 6.50 Uhr war es soweit, mit dem Auto ging es über Land zum Abfahrtsort. Der Weg war weiter als gedacht und um Punkt 8 waren wir dann auch da und natürlich die Letzten! Senioren sind pünktlich! Die Mitfahrer waren allesamt in der Tat dem Klischee entsprechende Busreisende: Rentner! Und mein Vater war mit 72 noch meinem Alter am Nahsten dran 🙂
Also schnell Wagen parken, einladen, Sitzplatz erhalten und schon ging es los.
Und nicht nur mit der Tour, sondern auch mit den ersten Geschichten von den Eltern, vom Krieg, alten Häusern und Vertreibung. Ich schätze bis zum Ende der Reise kenne ich von 50 Senioren den ostpreußischen Geburtsort samt (späterer nicht mehr preußischer) Lebensgeschichte.

Sitzplatz Nr 13 für eine Woche. Glück oder Unglück?
Auf den ersten Blick sind wir eine sehr homogene Gruppe, grauer Kurzhaarschnitt und Brille (mit Schrecken halte ich gerade inne: wer trägt noch kurze Haare und Brille? Wenigstens trage ich keine Brille aufgrund von Altersweitsichtigkeit und noch bin ich blond, aber lassen wir diese zu nichts führenden Überlegungen…) Ich frage mich, ob spanische Rentner auch alle gleich aussehen? Festhalten lässt sich aber: die Frauen sehen allesamt besser aus, ihr lieben Männer!
Alle Pausen wurden exakt eingehalten, in Berlin stieg doch tatsächlich eine noch jüngere (!) Frau mit ihrer Oma zu und um 18 Uhr waren wir dann auch in Gniezno:
Nachdem wir unsere Koffer in polnischer Nostalgie abgeladen haben, sind wir zu zweit noch durch die Stadt gelaufen, samt kurzer Dombesichtigung.
Und wir haben nicht gelernt: wir kamen zum für 19 Uhr angesetzten Abendessen um 19.01 Uhr und die Vorsuppe war schon gelaufen… Auf Nachfrage gab es dann doch noch eine Soljanka und Braten mit schicker Bratensoße, Dillkartoffeln und rote Beetesalat. Eigentlich weiß ich nicht viel über die polnische Küche, aber hätte ich raten müssen was es heute gibt, hätte ich eine Trefferquote von 95% erreicht. Wetten morgen gibt es anderen Braten mit anderer Bratensoße?
Für andere Perspektiven zum Thema „homogen“ oder nicht alle sehen nach dem aus was es scheint: unsere gutfrisierte, schicke Tischnachbarin erzählte doch voller Inbrunst von ihrem Werder-Fan-Dasein als langjährige Dauerkartenbesitzerin. Das Bild von ihr singend mit grünem Schal hat mich innerlich sehr amüsiert.
Abends war ich noch mit einer anderen Frau spazieren, die mit ihrer Mutter diese Reise unternahm. Es ist doch interessant welche Gemeinsamkeiten verbinden, obwohl sie selber sogar schon Großmutter ist 🙂
Tag 2: Nicht Altersweisheit, sondern Alterslästereien
Zum Frühstück waren wir insofern pünktlich, dass wir zumindest noch zwei freie Plätze erwischt haben – und den neusten Tratsch aus dem Altenheim! Die Dame echauffierte sich sehr über, nennen wir sie mal Frau Müller, die nur von sich redet. Irgendwie meinte ich das gleiche Gespräch gestern im Bus schon vernommen zu haben. Der entnervte Blick von meinem Vater bestätigte diese Annahme und ich fragte mich, wann denn die Weisheit des Alters einsetzt? Da bin ich nun 40 und hoffe auf und arbeite täglich an mehr Gelassenheit und möglicher Weisheit und muss dann sowas erleben. Und das am frühen Morgen, so viel Energie hätte ich gar nicht. Schweigend weiter den Filterkaffee schlürfen und an der eigenen Weisheit arbeiten. Man braucht ja Ziele im Leben.
Die erste Station war dann Thorn, ein wirklich hübsches Städtchen mit einer tollen Altstadt und Wirkstätte von Nikolaus Kopernikus.
Auch sind tapfer alle mitgekommen, Rollator hin oder her. Das finde ich ja wirklich super. Aber so ein Rollator hat ja auch durchaus Vorteile:

… man kann prima drauf sitzen
Bevor wir mit dem Taxi zum Geburtstort der Großeltern sowie zu unserem „Erbhof“ gefahren sind, gab es im Bus noch Stärkung:

Ein Wodka am Tage verändert die Lage 🙂
Zu unserem Ausflug in die preußischen Nehrungen demnächst bald mehr. Muss mir eh‘ schon dauernd anhören, dass die jungen Menschen nur am Smartphone hängen 🙂
Seniorige Grüße-
Katja
Überrascht, dass sich hier nach der gemeinsamen Reise der Blick auf die Persönlichkeit öffnet,
angetan von der sprachlich lockeren Schilderung des Erlebten,
begeistert von den gelungenen Fotoaufnahmen,
überrzeugt, dass Weisheit sich nicht erlernen läßt sondern unaufgefordert einstellt und
dankbar, die Bloggerin kennengelernt zu haben
bin ich mit besten Grüßen
Heike H.
Liebe Heike,
vielen Dank für diesen Kommentar. Es hat mich gefreut, dass wir uns kennengelernt haben und ich glaube auch, dass Weisheit nicht erlernbar ist 🙂
Alles Liebe Ihnen, mit herzlichen Grüße aus Frankfurt –
Katja